Aktuell stellt sich vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Frage, ob zur Anpassung an geänderte Auftragslage Kurzarbeit, Erholungsurlaub und/oder Abbau von Überstunden angeordnet werden können. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld stellt sich zudem die Frage, ob vor Kurzarbeit nicht sogar Erholungsurlaub und/oder Abbau von Überstunden zur Vermeidung des Arbeitsausfalls angeordnet werden müssen.
Kurzarbeit, d.h. die Reduzierung der Arbeitszeit bis auf Null bei Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 oder 67 % des Nettoeinkommens (§ 105 SGB III) für die entfallene Arbeitszeit, kann zunächst nicht einseitig angeordnet werden, sondern muss vertraglich oder über eine Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG) vereinbart worden sein. Verweigert der Arbeitnehmer auf einseitige Anordnung des Arbeitgebers die Kurzarbeit, ist dies auch kein Kündigungsgrund. Jedenfalls wird sich der Arbeitgeber nicht ohne weiteres darauf berufen können, eine Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Der Umstand, dass Kurzarbeit angeordnet wird, ist vielmehr als Indiz dafür anzusehen, dass die nachhaltige Prognose eines dauerhaften Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit eben nicht möglich ist.
Soviel zur Theorie. Praktisch kann Kurzarbeit aber die einzige Möglichkeit zur Sicherung von Arbeitsplätzen bzw. des Arbeitsplatzes sein, so dass die mit der Kurzarbeit verbundenen Einkommenseinbußen für den Arbeitnehmer bei Interesse an langfristiger Weiterbeschäftigung im Betrieb das kleinere Übel sein sollten.
Die Frage, ob arbeitgeberseitig zur Vermeidung von Arbeitsausfall, insbesondere vor Übergang zur Kurzarbeit einseitig Urlaub angeordnet werden kann, lässt sich ebenfalls nicht klar zum Vorteil der einen oder anderen Seite beantworten. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erholungsurlaub. Der Wortlaut legt hier schon die Vermutung nahe, dass es nicht uneingeschränkte betriebsbedingte Gründe sein können, die dem Arbeitgeber das Recht geben, zu entscheiden, wann sich der Arbeitnehmer zu erholen hat. Rechtlich ist es daher auch so, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu berücksichtigen sind (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Anders soll es nach dem Gesetz sein können, wenn der Berücksichtigung dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Auch hier ist es so, dass eine geänderte Auftragslage nicht ohne weiteres ein dringender betrieblicher Grund ist, der dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers entgegensteht, denn das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können, kann nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Gegebenenfalls wird sich die Frage stellen, wie viel Urlaub der Arbeitgeber anzuordnen berechtigt ist. Hier dient als Orientierung die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach in einem Fall eine Anordnung, nach der noch 2/5 des Jahresurlaubs verblieben, als verhältnismäßig erkannt wurde (BAG, Urteil vom 28.07.81, Az: 1 ABR 79/92).
Die Frage, ob der Arbeitgeber vor Anordnung der Kurzarbeit als Anspruchsvoraussetzung für das Kurzarbeitergeld noch verbleibenden Erholungsurlaub oder den Abbau von Überstunden angeordnet haben muss, wird durch Vorschriften im Sozialgesetzbuch Drittes Buch geregelt (§ 95 Abs. 4 SGB III). Danach setzt das Erfordernis der vorherigen Anordnung des Urlaubs voraus, dass nicht vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung entgegenstehen. Ebenso wie bei der oben angeführten Frage des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Berücksichtigung seiner Urlaubswünsche ist auch hier eine Interessenabwägung vorzunehmen, so dass weder die Behörde gegenüber dem Arbeitgeber noch der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer ohne weiteres geltend machen können wird, Urlaub hätte generell genommen werden müssen bzw. sei generell zu nehmen.
Soweit nach derselben Vorschrift auch die vorherige Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen bzw. Überstundenabbau Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist, besteht für Situationen wie aktuell durch die Gefahr des Corona-Virus nach dem Gesetz die Möglichkeit von diesem Erfordernis durch Rechtsverordnung abzusehen (vgl. Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld). Hiervon hat die Bundesregierung mit der Kurzarbeitergeldverordnung – KugV mit Wirkung ab dem 01.03.2020 Gebrauch gemacht.
Gottsch Rechtsanwaltskanzlei
Christian Gottschling
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